Wolfgang Hohlbeins Fantasy Selection 2000 - Livres de poche

OA, 252 S., farbig bedruckter Karton, Klappenbroschur, Wolfgang Hohlbein ist omnipräsent. Beinahe kein Monat, in dem nicht ein neues Buch (oder eine Neuauflage) von Hohlbein die Phantastikfreunde hierzulande erfreut. Manch einer mag ihm da ein Monopol vorwerfen, doch diesem Eindruck tritt der Neusser Autor seit zwei Jahren beharrlich entgegen: mit der 1998 gestarteten Reihe des Weitbrecht Verlages, der Fantasy Selection, gibt Hohlbein eine Anthologie heraus mit bekannten und weniger bekannten deutschen Erzählern. Lobenswert, daß dem häufig vernachlässigten, jungen deutschen Nachwuchsautoren sein besonderes Augenmerk gilt.

Geheimtip in der Fantasy Selection 2000: Vincenzo Benestante ("Hirschkäfer und Butter"), der auf nur sieben Seiten mit einem dahingerotzten Street-Slang die Lebensgeschichte des hochintelligenten Außenseiters Bill erzählt, der sich bis hinauf ins Pentagon schleimt, wo er der Welt endlich zeigt, wer er wirklich ist.

Agnes P. Adams ("Der Wurm") schickt derweil die junge, hübsche Studentin Roberta bei ihrer Suche nach einem Nebenjob in ein finsteres altes Haus, in dem eine noch finsterere alte Hexe mit einem Wurm lebt, der nichts lieber macht als jungen, hübschen Studentinnen in den zierlichen Fuß zu kneifen. Und Robert P. Jäger ("Das Frühstücksei") weiß, daß nicht nur kleine, niedliche Küken in unseren Frühstückeiern brüten, sondern manchmal auch feuerspeiende Drachen.

Bernard Hennen ("Mondträume") verlegt das elegische Ambiente der "Gothic Novel" -- der unglückliche Geist, der in einem verkommenen Schloß umgeht -- in die durch den Braunkohleabbau Garzweiler vom Abriß bedrohte Burg Reuschenberg in Neuss. Bevor die alten Gemäuer fallen, wir wissen es aus den romantischen Schauermärchen des 19. Jahrhunderts, wird die unstete Seele ihren Geliebten finden und damit endlich die wohlverdiente Ruhe. Die Bagger können kommen. Was übrigens auch für jene Oma gilt, von der Thomas Ziegler in seiner makaberen Satire "Abends kommt Oma" zu erzählen weiß: Denn Omas Neffe Arthur Miller, erfolgloser Kräuterteefabrikant, versucht verbissen, an das Geheimnis des lebenverlängernden Kräutergemischs seiner Großmutter zu gelangen, die, wenngleich stinkend und verfaulend, sogar noch lebt, als sie schon lange tot ist -- ein Gebräu, so scheint's, geradewegs aus der Hölle!

In die fühlt sich auch der "Unterhaltungsschriftsteller" Thomas Fischer versetzt, als sich die greise, grauhaarige Dame Nieves Dalmar und ihre junge, rothaarige Nichte Nieves Dalmar als tatsächlich einunddieselbe, gestaltwandlerische Frau entpuppen. Doch da gibt es für den verliebten Thomas schon keinen Ausweg mehr, denn die jahrhundertealte Hexe ist bisher jedem Liebhaber treu geblieben -- bis zu deren Tod.

Hanns Kneifel, einer der alten Hasen der Fantasy, liefert mit der fesselnden Erzählung "Die Rothaarige" das schnörkellose Highlight der Fantasy Selection 2000, in der sich neben den erwähnten ferner Geschichten von Wolfgang Hohlbein ("Im Namen der Menschlichkeit"), Dieter und Uschi Winkler ("Baum des Vergessens"), Thomas Görden ("Der Delfin"), Michael Schönbröcher ("Der Stuntman") und Harald Braem ("Das Haupt der Medusa") lesen lassen.

15 Geschichten, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten: Short Fiction mit Drachen, Hexen, Delphinen, Vampiren und gar bitterbösen Würmern. Stories mal zum Träumen, mal zum Gruseln und noch viel häufiger zum Schmunzeln. --Marcel Feige